Predigen – ein Kinderspiel

Als Kind teilte ich mein Zimmer mit meinen zwei Brüdern. Mein älterer Bruder hatte von uns dreien unbestritten die besten Spielideen. Beim Legobauen erfand er die tollsten Konstruktionen, das klappbare Schlafsofa, auf dem wir alle drei schliefen, wandelte er in eine Burg um, und eines Tages kam er auf die famose Idee, Gottesdienst mit uns zu spielen. Als Prediger stellte er sich auf die Kanzel und las den ersten Psalm: „Wohl dem der nicht wandelt im Rat der Gottlosen, noch tritt auf den Weg der Sünder, noch sitzt wo die Spötter sitzen. – Prüfen wir uns: Wandeln wir im Rat der Gottlosen? Treten wir auf den Weg der Sünder? Sitzen wir, wo die Spötter sitzen?“ Mein jüngerer Bruder und ich hörten andächtig zu. „Ach so geht predigen“, dachte ich mir. „Das ist ja eigentlich ganz einfach. Der Prediger liest aus der Bibel vor, was man tun muss. Dann fragt er die Zuhörer, ob sie sich auch dran halten.“
Das entsprach in der Tat dem, was ich im Gottesdienst am Sonntag, in der Gebetstunde am Samstag und in der Bibelstunde am Dienstag von den Männern auf der Kanzel wahrnehmen konnte. Man sprach vom breiten und vom schmalen Weg. „Der schmale Weg ist beschwerlich, steinig und sehr steil, und nur wenige Menschen gehen ihn. Der breite Weg ist leicht und glatt und verläuft ganz eben, hier sind viele Menschen unterwegs. Aber: der breite Weg führt geradewegs in die Hölle. Will man in den Himmel kommen, so geht das nur über den anstrengenden und beschwerlichen Weg. Auf welchem Weg bist du, lieber Zuhörer?“ fragte der Mann auf der Kanzel, genau wie mein älterer Bruder in unserer gespielten Andacht im Kinderzimmer.

Übrigens hatten wir auch ein Buch, in dem die Sache mit den zwei Lebenswegen sehr eindrücklich bildlich dargestellt war:

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